Caca Savics Texte fordern auf: „beschreibe was im selben Moment wird.“ Ein poröses Sprachland wird es sein, ein fragmentierter Text als Kontrastfolie zu einer zu „Stil gefrorenen“ Welt, in der die „Scham heimisch“ ist. Caca Savic führt einen poetischen Kampf „um das untere Drittel“ und für eine Sprache, die sich zwar nie befreien kann von Zugehörigkeiten und Gewalt, die aber ebendies zum Anlass nimmt, die „altgedienten Markierungen“ zu zerlegen. Wie geht das? Caca Savic findet Coronatexte unmöglich. Gerade deswegen schreibt sie welche.
„[S]eit dem tod des freundes sah er krähen“ beginnt Jan Wagners Text, den er dem 2018 verstorbenen Dichter Matthew Sweeney widmete. Sweeney hatte ein Faible für Tiere, für Hunde, Füchse und Krähen. Das teilt er mit Jan Wagner, der Sweeneys Texte aus dem Nachlass übersetzt hat und noch übersetzt. Da, wo Krähen sind, geht etwas zu Ende, sagt man. Nicht nur ein Leben, vielleicht auch eine Sprache? Eine Denkweise? Jan Wagner beschwört mit seinem Text »krähenghasele« das dringliche Ende einer Epoche. Was nach dem „blackout“ kommt, lässt er offen.
Man könnte denken, Sarah Bergers Texte zeigen, dass es keine Trennungen gibt. Sprache ist Körper, Literatur ist Leben, das Selbst ist das Andere. Man könnte aber auch denken, sie zeigen, dass doch Alles nicht Eins ist. Natürlich nicht! Ganz sicher zeigen Sarah Bergers Texte aber, dass jede Gattung, jedes Genre, jede Schublade – und die Literatur ist voll davon – nur hilflose Versuche sind, der Komplexität von Geschichte(n) nachzukommen. Jenseits der hinkenden Markierungen sind Geschichten immer autofiktional. Ohne Erlebnis kein Schreiben, ohne Welt kein Text. Aber auch: ohne Text keine Welt. Die Sprache drängt sich überall dazwischen.
Wenn Dichtung körperlich wird, ändern sich Inhalt und Form. Aus „überallsprache“ wird „erstsprache“; statt zur ‚Krone der Schöpfung‘ geht’s zu den „tausend einzelwesen“; weg mit Seele, System und Ideal, hin zu den ‚kleinen Dingen des Lebens‘! Ulrike Draesners ‚nature writing‘ macht das Verschwinden und Vergehen erfahrbar, fühlbar. Sie nähert sich keiner Zier- oder Nutzpflanze, sie rückt ein Unkraut in ihren poetischen Fokus. So ist der „Erdbeer-Klee“ wie der schreibende Körper selbst angesichts einer sich ausdünnenden Natur. Auch er wird verschwinden, wie Pflanzen und Tiere – und mit ihm die Illusion der Überlegenheit.
Projektleitung: Rudi Nuss | Felix Schiller | Saskia Warzecha
Poets’ Home (Corners) wird freundlich unterstützt durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg; die Bezirkszentralbibliothek Pablo Neruda; das Instituto Cervantes Berlin; KUIR – queere lyrik in berlin; das Bezirksamt Treptow-Köpenick, Fachbereich Kultur und Museum; MoBe Moving Poets Berlin e.V.; die NOVILLA. Internationales Zentrum für Kunst, Kreativität und Begegnung; das Bezirksamt Pankow von Berlin, Fachbereich Kunst und Kultur; die Brotfabrik Berlin; das Bezirksamt Spandau zu Berlin, Fachbereich Kultur; die Zitadelle Spandau; das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, Fachbereich Kultur; Schoeler.Berlin und dem Bezirkskulturfonds der Senatsverwaltung für Kultur und Europa.