An normalen Tagen
gehe ich wie unter Wasser
wenn ich merke
wie sehr es mich bremst
renne ich manchmal
– plötzlich –
oder schleiche:
Blick verriegelt
Beine steif
Falls ich aufsehe
– eigene Töne im Kopf
unterlegt von diesem ewigen Summen –
weil es einen Aufprall gab
den ich nicht greifen kann
fällt mir
ein Bild vor die Füße
Ein gefrorenes Ich
aus einer Zeit die geflossen ist
Ich halte inne
und da bricht es mich
Ein Knacken ganz weit
hinter den Augen
es krümmt mich
von den Schultern bergab
ein Zittern
zerfetzt meinen Brustkorb
Mein Fuß ruckt nach vorne wie
hektisches Atmen will
über meine Trümmer schreiten doch
meine Kniescheiben springen heraus
kullern davon
Meine Beine fallen in sich zusammen
ein Oberschenkelknochen
prallt auf den Asphalt
Da liege ich
an einer anonymen Häuserwand und
mein Genick
knickt
langsam
ab
Der Wind streift über meine trockenen Pupillen
ewig geöffnet starren sie
hoch, nur hoch
Ich tropfe in die Erde
und es bricht mich
Die Stadt ist heiser geworden ringt
keuchend nach Atem die
Häuser verschließen ihre Münder wir
schwimmen durch die Fenster
Auf regentrockenen Sandwellen schwebt
eine Zukunft die
nicht sein wird ein
Stein ins Rollen gebracht er
fiel aus einer zerfledderten Fassade
Schnee im August legt sich
auf offene Wunden im Asphalt
du sagst alles ist möglich aber
selbst Unendlichkeit
stößt an ihre Ränder, oder? schwappt
über die Kanten der Welt
Manchmal wird eine Häuserzeile
pulverisiert durch
einen Wimpernschlag da
ist sie wieder
diese Sehnsucht nach dem Untergang
Geborstene Rinde mit
Haut überzogen
es gefällt mir
wenn
Ruinen zu hause werden
und Straßenzüge
zu den Pfützen ihrer eigenen Tränen
Die letzte Insel im Stadtgebiet
treibt zwischen Wolkengesichtern davon zum
sichersten Hafen im Ozean ich
greife nach dem geschlossenen Auge des Sturms und
reiße ihm die Lider aus der
Globus vollführt seine schönste Pirouette
immer noch und
stockt, manchmal
wenn die Sonne das Dunkel auf ihn tröpfeln lässt
Betonvegetation vertrocknet in der Flut und
dennoch wuchert da
ein Geäst durch
meine Adern das
ab 30° zu pulsieren beginnt und
manchmal fröstelt es mich wenn
ich zerbreche
Immer öfter
genieße ich die Apokalypse
ich denke
die Menschheit hat Todessehnsucht
und zum ersten Mal passe ich rein
Aber
wenn der Regen kommt
fallen Steine und
wir ducken uns unter
Regenschirme aus Panzerglas ich
sehe unsere Gesichter im
größten der felsigen Tropfen wie sie
mir direkt neben die Augen schauen
siehst du? Alles ist möglich
sagst du
aber
ich sehe das Ende schon
Der Kosmos einer Haarsträhne
an der gerissen wird
spiegelt sich
im Geruch einer Tränennacht
der noch unter den Lidern hängt
Damals fielen sie frei in den Nacken
mit Schwung
(wie mein Gang)
ohne das Gewicht erinnerter Hände
Ein suchendes Tasten
nach
Beständigkeit
Bestätigung
Beweisen
das du mich liebst
liegt im Zucken der Finger
– unbewusst –
Manchmal baut sich ein Ich auf meine Wirbelsäule es
drückt sich von einem Boden hoch
auf dem andere Füße stehen
Die Form eines Daseins mit Fleisch überzogen
ich Mädchen
ich Schlachtfeld
die Struktur meiner Oberfläche – eine einzige Krampfader
Das Lachen ein Käfig aus Zähnen der
Blick aus verschlossenen Augen wirf Fragen auf – gesetzt
Wer?
Ich?
Brauche den Wind
der die Haare fliegen lässt mit Leichtigkeit
dann
ein Blinzeln nur
– sie fallen aus
Hohle Silhouetten lauern
in Tunneleingängen
ein paar Schritte werden zu
Knien in der Hocke
ich atme versteckt
Nur manchmal
wenn der Wind warm ist
fallen meine Haare wie damals
ohne das Gewicht erinnerter Hände
2020 wurden die Young Poems von Birgit Kreipe angeleitet. Während vier Workshop-Terminen entstanden junge Poesie und Gespräche über Sprachbilder, Perspektiven und poetische Recherche – teils vor Ort im Haus für Poesie, teils digital.
Projektleitung: Karla Montasser
Die Poetische Bildung des 21. poesiefestival berlin wird freundlich unterstützt von RITTER SPORT.