Presse

Das 21. poesiefestival berlin ging im Netz viral

12.6.2020

Die Online-Edition des 21. poesiefestival berlin (5.–11. Juni) ist gestern Abend erfolgreich zu Ende gegangen. Unter dem Motto Planet P brachten 150 DichterInnen aus 29 Ländern die zeitgenössische Lyrik-Szene weltweit auf die Bildschirme. Bis zur Stunde wurden die Festivalproduktionen knapp 100.000 Mal über alle Kanäle aufgerufen.

Die eigens für das Festival erstellte Website poesiefestival.org bildete den Mittelpunkt des Festivals. Neben den Videoproduktionen konnten die BesucherInnen durch den virtuellen Lyrikmarkt stöbern, auf dem sich 30 Verlage und Zeitschriften mit ihren Lyrikerscheinungen vorstellten, Interviews und Anthologien lesen und in eine Virtual World eintauchen. Auch nach Ablauf des Festivals bleiben die Website und die Produktionen in der Mediathek abrufbar.

Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters eröffnete in einer Video-Rede das Festival: „Was bleibt von der Zeit, in der wir jetzt gerade leben? Hoffentlich auch die Erfahrung, dass Lyrik mehr ist als ein Lichtblick im Lockdown. Dass Poesie mit eindringlichen Sprachbildern und Sprachmelodien die Kraft hat, Grenzen zu sprengen. Die Grenzen unserer Sprache und damit die Grenzen unserer Welt.“

Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa, hob in seiner Rede die medienorientierte Arbeit des Hauses für Poesie in den vergangenen Jahren hervor: „Der Aufbau von Plattformen wie der Lyrikline, des ZEBRA-Poesiefilmfestivals und Projekten zur Digitalen Poesie haben glänzende Ausgangsbedingungen geschaffen, um schnell in einen interaktiven Sendebetrieb zu starten.“

Gemeinsam mit 50 Partnern in Deutschland und aller Welt hatte das Haus für Poesie rund 40 Veranstaltungen für den virtuellen Raum neu konzipiert. Auf der ganzen Welt hatten die beteiligten KünstlerInnen ihre Lesungen und Performances aufgenommen, die in Berlin aufwändig postproduziert und in zusammenhängende Sendungen verwandelt worden waren.

Bei Weltklang – Nacht der Poesie lasen Mircea Cărtărescu (ROU), Michael Donhauser (AUT), Athena Farrokhzad (IRN/SWE), Yanko González (CHL), Luljeta Lleshanaku (ALB), Koleka Putuma (ZAF), Ariana Reines (USA), Katharina Schultens (DEU) und Yi Won (KOR) in sieben Sprachen – die Aufnahmen zeigten die DichterInnen in ihren Umgebungen und Wohnungen und verliehen der Eröffnungsveranstaltung damit neue Intimität.

Passend zum diesjährigen Kanada-Schwerpunkt des Festivals hielt die weltbekannte kanadische Dichterin Anne Carson die Berliner Rede zur Poesie. In der Rede mit dem Titel Thirteen Ways of Looking at a Short Talk / Dreizehn Blickwinkel auf Einige Worte unternahm sie – vom heimischen Küchentisch aus – poetologische und philosophische Streifzüge, die sie in die Antike und ihre eigene Kindheit führten. Die Rede ist parallel im Wallstein-Verlag erschienen.

Der trilinguale Übersetzungsworkshop VERSschmuggel. Canadian Poetry / Poésie du Québec / Dichtung aus Deutschland versammelte sechs deutschsprachige, sechs französisch- und sechs englischsprachige kanadische AutorInnen, die sich in Zoom-Sessions mit der Unterstützung von SprachmittlerInnen gegenseitig übersetzten und Einblick in ihre gemeinsame Arbeit gewährten.

Die Projekte Widerworte. Poesie als politischer Aktivismus und Poetry & Activism erforschten das politische und soziale Potential von Lyrik. Die Unerhörte Poesie brachte junge Stimmen der schwarzen Diaspora Europas zusammen. Die vielfältige Berliner Lyrik-Szene präsentierte sich in diesem Jahr bei Poets‘ Home (Corners) nicht wie sonst in den Berliner Bezirken, sondern in ihren Wohnzimmern.

Die Poetische Bildung bot viele Möglichkeiten zur Partizipation und Weiterbildung für alle Altersstufen: Tutorials zu Klangpoesie und Poesie in Bewegung, eine Fortbildung für LyrikvermittlerInnen, eine Meisterklasse zu queerem Dichten und einen Workshop für Grundschulkinder. Die Nachwuchswerkstätten der Open Poems und Young Poems präsentierten sich in einer Abschlusslesung und einer Anthologie.

Digitalität spielte nicht nur gestalterisch, sondern auch inhaltlich eine große Rolle: Die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann und die Medienwissenschaftlerin Mercedes Bunz diskutierten im Forum und einem anschließenden Live-Video-Chat, wie das kulturelle Gedächtnis vom digitalen Wandel und der damit einhergehenden veränderten Infrastruktur des Erinnerns beeinflusst wird. Aleida Assmann: „Tatsächlich ist die Poesie auch das, was sich sehr stark in Richtung Zukunft und Dauer entwickelt. Wenn wir an Horaz denken, der ein Monument schafft, das dauerhafter sein soll als Erz: kein pharaonisches Denkmal, keine Pyramide oder all diese Dinge, sondern ein Gedicht, ein luftiges Gedicht. Eine Idee, die Shakespeare auch immer wieder aufgenommen hat: Dass sein Gedicht, solange es Menschen gibt, die es lesen, weiter geht in die Zukunft.“

FR 5.6.– DO 11.6.2020
21. poesiefestival berlin: Planet P
Online-Edition #planetpgoeson

Das poesiefestival berlin findet seit 2000 statt und ist das größte seiner Art in Europa. Neben dem Buch hat sich die Dichtkunst längst auch andere Präsentationsformen gesucht und experimentiert mit Theater, Performance, Musik, Tanz, Film und digitalen Medien. Das Festival macht Poesie in ihrer ganzen Formenvielfalt erlebbar und zählt bis zu 13.000 BesucherInnen jedes Jahr. Erstmals in seiner 21-jährigen Geschichte fand es 2020 als Online-Festival statt.

Das 21. poesiefestival berlin ist ein Projekt des Hauses für Poesie. Gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds und mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amts, der Regierung von Kanada, der Botschaft von Kanada, des Ministère des Relations internationales et de la Francophonie du Québec, und der Vertretung der Regierung von Québec in Deutschland, sowie der Bundeszentrale für politische Bildung. Präsentiert von Der Freitag, taz, BÜCHERmagazin, tip Berlin, rbbKultur, ASK HELMUT, iHeartBerlin, EXBERLINER und Deutschlandfunk Kultur.